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Doktorarbeit

Novel Precursors for Polymer-Protein Conjugate Synthesis via Reversible Addition-Fragmentation Chain Transfer Polymerization

Christine Breiner (01/2003-01/2003)

Betreuer: Axel H. E. Müller

Zusammenfassung

Über reversible Additions-Fragmentierungs-Transfer (RAFT)-Polymerisation wurden polymere Vorstufen zur Synthese von Polymer-Protein-Konjugaten hergestellt. Die reizempfindlichen Polymere Poly(N-Isopropylacrylamid) und Polyacrylsäure sowie amin-reaktive Polymere wie Poly(2-Vinyl-4,4-dimethyl-5-oxazolon) wurden synthetisiert. Die Kettenüberträger-Strukturen wurden an die entsprechenden Monomere angepasst, und neue Kettenüberträger wurden dargestellt, um kontrollierte Polymerisationen zu ermöglichen.

Die durch RAFT-Polymerisation erhaltenen Polymere stellen makromolekulare Kettenüberträger dar, die zur Blockcopolymer-Synthese benutzt werden können, indem weiteres Monomer zugegeben wird. Reizempfindliche Polymere aus Poly(N-Isopropylacrylamid) und Polyacrylsäure bzw. Poly(2-Vinyl-4,4-dimethyl-5-oxazolon) wurden erstmals über RAFT hergestellt zur Konjugation an Proteine/Therapeutika.

Die Dithiocarbonyl-Endgruppen der Polymere konnten zu sulfhydryl-terminierten Polymeren hydrolysiert werden. Sulfhydryl-terminiertes Poly(N-Isopropylacrylamid), PNIPAAm, und Poly(N-Isopropylacrylamid)-block-Polyacrylsäure, PNIPAAm-b-PAA, wurden an das Protein Streptavidin konjugiert.

Die RAFT-Polymerisation von N-Isopropylacrylamid wurde mit den Kettenüberträgern Benzyl-1-pyrrolcarbodithioat und Cumyl-1-pyrrolcarbodithioat durchgeführt und Polymere mit enger Molekulargewichtsverteilung sowie Mn-Werten, die gut mit den berechneten übereinstimmten, konnten erhalten werden. Ein Vergleich der Mn-Werte aus Gelpermeationschromatographie, GPC, und MALDI-TOF-Massenspektrometrie zeigte, dass die Molekulargewichte aus der GPC unter Benutzung von Polystyrol-Standards viel höher waren. Es wurde eine mathematische Beziehung zwischen log Mn,MALDI und log Mn,GPC abgeleitet, die es ermöglichte, eine Eichkurve für die PNIPAAm-Polymere zu erstellen.

In-situ Fourier-Transform-Spektroskopie im nahen Infrarot wurde zur Bestimmung der Monomerumsätze benutzt. Beide Polymerisationen zeigten eine Induktionsperiode, die scheinbar mit einer Verlangsamung der Polymerisationsgeschwindigkeit zusammenhängt, wobei die Induktionszeit bei gleicher Konzentration für den Cumyl-Kettenüberträger größer ist als die des Benzyl-Kettenüberträgers. Die Induktionsperioden nehmen mit abnehmender Kettenüberträger-Konzentration ab und scheinen auf unterschiedlichen Stabilitäten der entsprechenden Radikale zu gründen, die an das Monomer im Reinitierungsschritt addieren. Das stabilere Cumyl-Radikal addiert langsamer als das Benzyl-Radikal.

Sowohl UV-Spektroskopie als auch MALDI-TOF-Massenspektrometrie bestätigen die erwarteten Dithiocarbamat-Endgruppen. Eine Untersuchung der Polymerproben mit MALDI-TOF zeigte die erwarteten Kettenüberträger-Endgruppen und Initiator-abgeleitete Polymere. Endgruppen, die durch Disproportionierung oder Übertragung entstanden schienen, erwiesen sich als Produkte von Fragmentierungsreaktionen, die während der MALDI-Messungen stattfanden. Dies wurde mit einer “Post Source Decay”-Analyse und MALDI-TOF-Charakterisierung des hydrolysierten Polymers nachgewiesen.

Die untere kritische Lösungstemperatur von Poly(N-Isopropylacrylamid), PNIPAAm, wurde gemessen, und es konnte gezeigt werden, dass der Trübungspunkt mit zunehmendem Molekulargewicht ansteigt, da die hydrophoben Endgruppen die untere kritische Lösungstemperatur erniedrigen, so dass nur für hochmolekulares PNIPAAm der Literaturwert von 32 °C erreicht wird.

Dithiocarbamat-terminiertes PNIPAAm aus der RAFT-Polymerisation mit Cumyl- bzw. Benzyl-Kettenüberträger wurde unter basischen Bedingungen hydrolysiert, um sulfhydryl-terminiertes PNIPAAm für eine anschließende Konjugation an Modellverbindungen und Streptavidin zu erhalten. Die Bildung dieser Endgruppen wurde mit unterschiedlichen Methoden nachgewiesen, unter anderem auch MALDI-TOF-Massenspektrometrie.

Die aminreaktiven Monomere Diacetonacrylamid, 2-Vinyl-4,4-dimethyl-5-oxazolon und N-Hydroxysuccinimidmethacrylat wurden erstmals über RAFT kontrolliert polymerisiert. Poly(Diacetonacrylamid) und Poly(2-Vinyl-4,4-dimethyl-5-oxazolon) zeigten niedrige Polydispersitäten und eine gute Kontrolle über das Molekulargewicht, während Poly(N-Hydroxysuccinimidmethacrylat) relativ hohe Polydispersitäten aufwies trotz einer kontrollierten Polymerisation. Die aminreaktiven Polymere wurden erfolgreich an die primäre Aminogruppe des Modellpeptids Glycin-Leucin konjugiert.

RAFT-polymerisiertes Poly(tert-Butylacrylat) und Polyacrylsäure zeigten bei Verwen-dung geeigneter Kettenüberträger niedrige Polydispersitäten. Die Polymerisation von Acrylsäure konnte ohne Schutzgruppen erfolgreich durchgeführt werden und demonstriert das große Potential dieser Technik, die praktisch jede funktionelle Gruppe toleriert.

Im Fall von Poly(N-isopropylacrylamid)-block-Polyacrylsäure, PNIPAAm-b-PAA, konnte gezeigt werden, dass Wasserstoffbrücken-Bildung zwischen N-Isopropylacrylamid- und Acrylsäure-Einheiten das Verhalten im festen Zustand und in Lösung stark beeinflusst. Die Blockcopolymere bilden Micellen in wässrigen Lösungen in Abhängigkeit von pH und Temperatur. Trübungsmessungen wiesen auf die Bildung größerer Aggregate bei pH 4.5 und Temperaturen oberhalb der unteren kritischen Lösungstemperatur hin, während sich bei pH 5-7 und Temperaturen oberhalb der unteren kritischen Lösungstemperatur Micellen bildeten. Bei pH 5.6 und 50 °C findet man nur Micellen, wohingegen bei niedrigeren Temperaturen sowohl größere Aggregate als auch Micellen vorliegen. Die Bildung größerer Aggregate durch Wasserstoffbrücken-Wechselwirkungen wurde mittels IR- und Raman-Spektroskopie sowie Tieftemperatur-Transmissionelektronenmikroskopie und dynamischer Lichtstreuung nachgewiesen.

Die Glasübergangstemperaturen von PNIPAAm-b-PAA wurden mittels dynamischer Differenzkalorimetrie bestimmt und lagen oberhalb der Glasübergangstemperaturen der Homopolymere, was wiederum auf molekulare Wechselwirkungen zwischen Acrylsäure- und N-Isopropylacrylamid-Blöcken schließen lässt.

Im Fall von Poly(N-Isopropylacrylamid)-block-Poly(2-Vinyl-4,4-dimethyl-5-oxazolon), PNIPAAm-b-PVO, wurde eine Zunahme der unteren kritischen Lösungstemperatur im Vergleich zum Homopolymer Poly(N-Isopropylacrylamid) beobachtet, die auf den hydrophilen Poly(2-Vinyl-4,4-dimethyl-5-oxazolon)-Block zurückgeführt wurde. Eine Vermessung der Proben mit dynamischer Differenzkalorimetrie ergab, dass sich die beiden Blöcke im festen Zustand vollständig mischen.

Die Konjugation von sulfhydryl-terminiertem PNIPAAm an Thiol-Disulfid-Austausch-Reagenzien und Maleimide wurde für eine spätere Konjugation an Proteine getestet. Eine experimentelle Abwägung der unterschiedlichen Verknüpfungssysteme ergab, dass Maleimide am besten als Verknüpfungsreagenzien für eine Konjugation an das Protein Streptavidin geeignet sind.

Sulfhydryl-terminiertes PNIPAAm-b-PAA wurde an den Streptavidin-Mutanten S139C konjugiert mithilfe eines Bismaleimid-Verknüpfers und auch mittels direkter Konjugation über Disulfid-Brücken. Beide Konjugationen waren erfolgreich mit einem Umsatz von über 50 %.

Eine Konjugation von PNIPAAm und PNIPAAm-b-PAA wurde auch über nicht-kovalente Anbindung biotinylierter Polymere an natürliches Streptavidin erreicht. Konjugate von natürlichem Streptavidin mit biotinyliertem PNIPAAm-b-PAA blieben selbst oberhalb der unteren kritischen Lösungstemperatur und bei niedrigen pH-Werten in Lösung, was im Gegensatz zu Beobachtungen am unkonjugierten Blockcopolymeren steht, das bei pH-Werten unterhalb 4.5 ausfällt. Konjugate von natürlichem Streptavidin mit biotinylierten PNIPAAm-Proben unterschiedlichen Molekulargewichts bildeten oberhalb der unteren kritischen Lösungstemperatur Aggregate in wässriger Lösung, und es wurde eine Abhängigkeit der Aggregatgröße von der Polymergröße gefunden.

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