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Doktorarbeit

Weiche kompartimentierte Polymerkolloide: Januspartikel, Multikompartmentstrukturen, Anorganisch-Organische Hybride und Anwendungen

Andreas Walther (02/2006-06/2008)

Betreuer: Axel H. E. Müller

Zusammenfassung

Kompartimentierte Polymerkolloide von nanoskopischer Größenordnung und mit verschiedenen Topologien wurden auf der Grundlage verschiedenartiger Blockcopolymerarchitekturen synthetisiert. Die Polymere wurden über anionische Polymerisation oder eine kontrollierte radikalische Polymerisationstechnik (RAFT) synthestisiert. Die Selbstorganisation sowohl in Lösung als auch im Festkörper wurde ausgenutzt um die Multikompartimentstrukturen zu erzeugen. Mehrere neue Vernetzungsmethoden, im Festkörper und in Lösung, wurden sorgfältig untersucht um eine kontrollierte Bewahrung und eine hohe Formbeständigkeit der kolloidalen Partikel zu ermöglichen, selbst wenn sie unselektiven Lösungsmitteln ausgesetzt werden.

Die Selbstorganisation zylindrischer und scheibchenförmiger Janus-Partikel in Superstrukturen wurde untersucht. Die Janusscheibchen zeigen „back-to-back stacking“ in organischen Lösungsmitteln. In wässriger Lösung konnte eine größenabhängige Aggregation festgestellt werden. Während die kleineren Janusdisks auf unimolekulare Art und ungestappelt dispergiert sind, können die größeren Janusplättchen die unlösliche Seite auf intramolekulare Art durch eine ausgeprägte Biegung abschirmen. Januszylinder zeigen Selbstorganisation auf zwei hierarchischen Ebenen. Werden sie einem selektiven Lösungmittel ausgesetzt, findet eine Selbstorganisation in Fasern statt, deren Länge konzentrationsabhängig ist. Außerdem existiert eine kritische Aggregationskonzentration unterhalb derer eine Selbstorganisation nicht zu beobachten ist. Als zweite Möglichkeit bilden die Januszylinder fibrillare Netzwerke mit einstellbaren Porengrößen im Falle der Abscheidung aus einer konzentrierteren Lösung.

Die oberflächenaktiven Eigenschaften sphärischer Janus-Partikel wurden für die Untersuchung zweier möglicher Anwendungen, die sowohl von akademischer als auch industrieller Relevanz sind, genutzt. Im Falle der Pickering-Emulsionspolymerisation konnten überaus gut definierte Latexpartikel, die eine gute Langzeitstabilität aufweisen, auf sehr einfache Art und Weise synthetisiert werden. Eine Kontrolle der Partikelgröße über die Änderung der Konzentration an Janus-Partikeln konnte problemlos erreicht werden. Zweitens wurde die Nanostrukturierung von Polymer-Blends für ein PS/PMMA Modellsystem gezeigt. Das System weist eine Kontrolle auf zwei Längenskalen auf. Erstens die kontrollierte Abnahme der Domänengrößen der dispergierten Phase und zweitens die kontrollierte Anordnung der Partikel an der Grenzfläche. Die Partikel befinden sich ausschließlich an der Grenzfläche und die Nanostrukturierung kann auch unter Berücksichtigung makroskopischer Prozesseinschränkungen, d.h. beim Mischen unter hoher Scherung in einem Doppleschneckenminimixer, erreicht werden.

Die Selbstorganisation bis-hydrophiler Triblockterpolymere mit zwei äußeren hydrophilen Blöcken wurde für eine Auswahl verschiedener hydrophiler Endblöcke untersucht. Die Gesamtarchitektur der Strukturen in Lösung konnte durch Änderung des Verhältnisses von hydrophilem zu hydrophobem Anteil angepasst werden. Zusätzlich haben die Wechselwirkungen zwischen den die Korona bildenden Blöcken einen Einfluss auf die Partikelform. Aufgrund des Vorhandenseins eines hydrophoben Kerns und hydrophiler biokompatibler und auf äußere Stimuli ansprechender Segmente, besitzen die Mizellen Koronen mit attraktiven und einstellbaren Eigenschaften.

Die Selbstorganisation von Miktoarm-Sternterpolymeren, mit Armen aus Polystyrol (PS), Polybutadien (PB) und Poly(2-vinyl pyridin) (P2VP), wurde sowohl in Lösung als auch im Festkörper ausgenutzt. In Lösung bilden die Miktoarm-Sternterpolymere Multikompartimentmizellen mit einem glasartigen (PS) und einem weichen Kompartiment (PB), alle wasserlöslich aufgund der P2VP Korona. Auffallenderweise zeigen die weichen PB Kompartimente hydrophobe Härchen im wässrigen Medium, was von großem Interesse ist, da sie als ein zweites Strukturmotiv, neben der hydrophilen Korona, für die Sensorik, Adhäsionskontrolle oder für Wechselwirkungen mit zellulären Membranen dienen können.

Der Transfer einer wohlgeordneten hexagonalen zylindrischen Volumenphase durch Vernetzung der PB Domäne einer Morphologie eines ähnlichen Miktoarm-Sternterpolymer ermöglichte die Präparation neuartiger Multikompartimentzylinder. Die Strukturen besitzen vollkommen parallel angeordnete Kompartimente. Jeweils zwei symmetrische und gegenüberliegende PS- und P2VPKompartimente umgeben ein zentrales bandförmiges PB-Kompartiment. Die P2VPKompartimente konnten für die Generierung vollkommen linear angeordneter bi-axialer Nanodrähte innerhalb räumlich separierter Kompartimente, und doch in nächster Nähe zueinander befindlich, genutzt werden. Aufgrund der Anwesenheit einer amphiphilen Korona kann das Ausmaß der Kompartimentierung von separierten Nanodrähten hin zu einem homogenen Nanodraht auf einfache Weise durch Austausch des Lösungsmittels eingestellt werden. Die Komplexität und hohe Kontrolle der Struktur dieser Multikompartimentzylinder sucht ihresgleichen und kann mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht ausgehend von Selbstorganisation in Lösung erhalten werden.

Im dritten Teil wurde die kontrollierte Vernetzung von Polybutadiene-block-Poly(2-vinyl pyridin) (PB-b-P2VP) Blockcopolymeren im Hinblick auf die Synthese formbeständiger Template für anorganisch-organische Hybridmaterialien untersucht. Die eingehende Analyse des Selbstorganisationsverhaltens mehrerer Diblockcopolymere in Dioxan/Wasser-Mischungen zeigte die Anwesenheit einer Vielzahl von kolloidalen Aggregaten und führte zur Entdeckung eines neuen Mechanismus für den Phasenübergang von zylindrischen Mizellen zu Vesikeln. Die Formen der Aggregate konnten durch einen einfachen Photovernetzungsvorgang fixiert werden, wodurch ihr Transfer in nichtselektive Lösungsmittel unter Beibehaltung ihrer Form ermöglicht wurde.

In einem zweiten Ansatz wurde eine zylindrische Volumenphase eines PB-b-P2VP Blockcopolymers vernetzt. Dies resultierte in kernvernetzten kompartimentierten Nanostäbchen. Diese Nanostäbchen wurden für die Konjugation mit Polyoxometalaten vom Keggin-Typ verwendet. Die resultierenden Hybridmaterialien zeigten wohldefinierte stäbchenförmige Strukturen und besitzen eine große Oberfläche. Sie dienen als Katalysatorträger in derzeit laufenden Untersuchungen.

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