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PhD Thesis

Untersuchungen zum Mechanismus der anionischen Polymerisation von Acrylaten in Gegenwart von Aluminiumalkylen in Toluol

Bardo Schmitt (01/1998-01/1998)

Johannes-Gutenberg-Universität Mainz

Zusammenfassung

In der vorliegenden Arbeit wurde ein neues anionisches Polymerisationssystem entwickelt, das die Synthese von Polyacrylaten mit enger Molekulargewichtsverteilung ermöglicht. Das Polymerisationssystem ist weiterhin geeignet, wohldefinierte Strukturen, wie statistische, Block- und Pfropfcopolymere zu synthetisieren.

Die anionische Polymerisation von n-Butylacrylat mit Lithium als Gegenion verläuft in Gegenwart von Aluminiumalkylen in Toluol bei -78 °C mit Halbwertszeiten im Minutenbereich sehr schnell, der Monomerumsatz ist unter diesen Bedingungen aber unvollständig. Außerdem weisen die erhaltenen Polymere breite und multimodale Molekulargewichtsverteilungen auf (Mw/Mn > 1.9), die auf Gelbildung und zusätzlich auf Terminierung zurückzuführen sind. 13C- und 6Li-NMR-spektroskopische Untersuchungen in Kombination mit quantenchemischen Berechnungen an Modellverbindungen für die lebende Polymerkette liefern Hinweise auf die Art der Struktur der aktiven Spezies in diesem Polymerisationssystem. Da das Elektronendefizit in der Koordinations­sphäre des Lithiumions in allen Komplexen nicht gesättigt ist, strebt das Lithiumion eine weitere Komplexierung mit Lewis-Basen an. Geeignet sind hierbei die Estercarbonylgruppen im Monomer und im Polymer, wie mit Hilfe von Methylpivalat, einer niedermolekularen Modellverbindung für eine inaktive Polymerkette, bewiesen wurde. Bei den lebenden Polymerketten führt somit eine inter­molekulare Koordination zur Bildung eines koordinativen Netzwerkes und letztendlich zur Gelbildung.

Die Zugabe von Methylpivalat im Überschuß verhindert tatsächlich die Gelbildung und die Zeit-Umsatz-Kurven nach erster Ordnung werden gewöhnlich nahezu linear. Auch können die zuvor beobachteten Abbruchprodukte durch cyclische Terminierung nicht mehr nachgewiesen werden. NMR-spektroskopische Untersuchungen und quantenchemische Berechnungen zeigen die Existenz eines Komplexes, der sich aus äquimolaren Anteilen der Einzelkomponenten zusammensetzt ((EiBLi×MPiv×AlEt3)n, n = 1, 2). Die so erreichte Stabilisierung der aktiven Zentren führt zu vollständigem Monomerumsatz. Dennoch sind die Molekulargewichtsverteilungen der Polymere weiterhin relativ breit (Mw/Mn > 1.4) und bei Temperaturen über -78 °C tritt Terminierung auf. Eine noch effektivere Stabilisierung des Kettenendes erfolgt durch den Einsatz von Tetraalkyl­ammoniumhalogeniden NR4X, die mit Aluminiumalkylen in Toluol lösliche Komplexverbindungen NR4[Aln3nX] (n = 1, 2) bilden, so daß ein homogenes Polymerisationsystem vorliegt. Die Zeit-Umsatz-Kurven nach erster Ordnung der anionischen Polymerisation von n-Butylacrylat in Gegenwart von NMe4[AlnBui3nCl] und die Auftragung des Zahlenmittels des Polymerisationsgrads sind linear. Die dabei erhaltenen Polymere weisen enge Molekulargewichtsverteilungen auf (1.1 < Mw/Mn < 1.4), so daß dieser Polymerisation lebender Charakter zuzuschreiben ist.

Die kinetischen Ergebnisse lassen sich durch einen Mechanismus beschreiben, der mindestens zwei aktive Spezies unterschiedlicher Reaktivität beinhaltet. 13C- und 6Li-NMR-spektroskopische Untersuchungen und quantenchemische Berechnungen deuten darauf hin, daß komplexe Spezies aus lithiiertem Esterenolat und 1:1- bzw. 2:1-Komplex (NR4[Aln3nX], n = 1, 2) im Polymerisations­system im Gleichgewicht vorliegen. Während sich im Initiierungssystem die jeweiligen Komplexe bilden ([EiBLi×AlEt3Cl]NMe4 und [EiBLi×AlEt3×AlEt3Cl]NMe4), werden im realen Polymerisationssystem, das im NMR-spektroskopischen Experiment durch Zugabe von Methylpivalat simuliert wird, nur chemische Verschiebungen beobachtet, die dem ersten Komplex zuzuordnen sind. Aufgrund der Schärfe der Signale ist es jedoch wahrscheinlich, daß ein Komplex vorliegt, an dem auch Methylpivalat beteiligt ist.

Um mögliche Alkylierungsreaktionen oder Hofmann-Abbau zu vermeiden wurden die Tetraalkylammoniumsalze durch Cäsiumhalogenide ersetzt, die ebenfalls mit Aluminiumalkylen in Toluol lösliche Komplexe bilden. Als besonders geeignet stellte sich der Komplex Cs[AlnBui3nF] (n = 1, 2) heraus, mit dem sehr eng verteilte Poly(n-butylacrylate) synthetisiert werden konnten (Mw/Mn < 1.1).

Die Übertragung des Polymerisationssystems auf andere Acrylatmonomere funktioniert reibungslos. 2‑Ethylhexylacrylat kann ebenso gut wie sterisch noch anspruchsvollere Acrylate (tert-Butylacrylat, Allylacrylat oder Dihydrodicyclopentadienylacrylat) polymerisiert werden. Auch statistische Copolymere oder Blockcopolymere mit enger Molekulargewichtsverteilung sind auf diesem Weg zugänglich. Desweiteren ist es möglich, Pfropf­copolymere mit w-acryloyl-funktionalisiertem PMMA zu synthetisieren. Dabei wurden die Produkte der Block- und der Pfropfcopolymerisation mittels 2D-Chromatographie charakterisiert, um die Homogenität der Reaktionsprodukte zu prüfen.

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